Nahrung für eine ganzheitliche Entwicklung
Über Bildungsmomente beim Mittagessen im Kindergarten und Hort
Elisabeth Börner, MA
Vom großen Bildungspotenzial kleiner Streitigkeiten
Welche Bildungsmomente der Hortalltag bereithält
Mag.a Lisa Kneidinger
KIWI-Infos
Informationen zum "Coolen Sommer" bei KIWI und Ihren Corplife-Benefits
Liebe Eltern!
Für Kinder steckt die Welt voller Bildungsmöglichkeiten. An Handlungen und Dingen, die für Erwachsene ganz alltäglich sind, erproben sie eine Vielzahl von Fertigkeiten sozialer, emotionaler oder auch naturwissenschaftlicher Art. Das Sortieren und Wegräumen des Spielzeugs etwa: Für Erwachsene ein paar Handgriffe, über die kaum nachgedacht wird. Kinder lernen hier ganz selbstverständlich, Ähnlichkeiten zu erkennen, Abfolgen zu bilden, Zuordnungen vorzunehmen. Die Pädagogik spricht bei solchen Lerngelegenheiten, die oft bildungsbiografisch grundlegende Fähigkeiten betreffen, von Bildungsmomenten.
Voraussetzungen für Bildungsmomente gibt es an vielen Stellen im pädagogischen Alltag. Das Ziel qualitätsvoller Elementar- und Hortpädagogik ist es, mit solchen Bildungspotenzialen achtsam umzugehen bzw. sie gezielt zu schaffen. Gruppenräume bei KIWI sind etwa sehr bewusst so gestaltet, dass sie die Erschließung zentraler Bildungsbereiche – z.B. Sprache, Kreativität, Soziale Kompetenzen – unterstützen; die Alterserweiterung bei KIWI begünstigt die sozial-emotionale Entwicklung in besonderer Weise.
Der genaue Blick für Bildungsmomente ist ein Qualitätskriterium jeder Pädagogik. Im KIWI-Qualitätshandbuch, dem Referenzleitfaden für die Arbeit in Kindergarten und Hort, bildet er einen Dreh- und Angelpunkt; viele (Team-)Strukturen bei KIWI dienen seiner Unterstützung. Für unsere Elementar- und Hortpädagog*innen ist die achtsame Begleitung von Bildungsmomenten das tägliche Handwerkszeug.
Das Wissen darum, welche (oft unerwarteten) Situationen für Kinder zum Anlass des Lernens bzw. zum Wissensquell werden, nutzt indes allen Bezugspersonen, die die Sicht von Kindern auf die Welt besser verstehen möchten. Mit diesem Newsletter laden wir sie deshalb ein, gewissermaßen die „Brille der Pädagogik“ aufzusetzen: Am Beispiel des gemeinschaftlichen Mittagessens im Kindergarten zeigt KIWI-Fachberaterin Elisabeth Börner, MA, auf, welche Fülle an Bildungsmomenten in dieser ganz alltäglichen Situation „verborgen“ ist. Mag.a Lisa Kneidinger, externe Qualitätsmanagerin bei KIWI erläutert exemplarisch Bildungsmomente, die sich im Hort ergeben.
Manche davon werden sie am Familientisch bzw. im Privatbereich nachvollziehen können, einige stellen sich hauptsächlich im Kindergarten bzw. Hort ein. Gemeint sind insbesondere all jene auf das sozial-emotionale Lernen bezogenen Bildungsmomente, die sich tatsächlich erst im Miteinander der größeren, alterserweiterten Kindergruppe ergeben – durch das Wirken der Gemeinschaft für die Gemeinschaft.
Ein großes Dankeschön wollen wir an dieser Stelle all unseren Gruppen- bzw. Hauselternvertreter*innen aussprechen: Unzählige Bildungsmomente sind mit Projekten und Veranstaltungen einhergegangen, die durch deren ehrenamtliches Engagement realisiert wurden. Wir freuen uns, mit Ihnen „in Freude wachsen zu dürfen“!
Bildungsmomente können unscheinbar sein, dann aber umso nachhaltiger Wirken. Ein Sensorium dafür ermöglicht neue, möglicherweise ungewohnte Perspektiven auf die kindliche Entwicklung. Wir wünschen Ihnen in diesem Sinne viel Vergnügen beim Lesen – und natürlich beim Aufspüren dieser pädagogischen Schätze!
Ein Mittagessen im Kindergarten ist nicht bloß ein Mittagessen – jedenfalls aus pädagogischer Sicht: Rund um den gemeinschaftlichen Schmaus lässt sich eine ganze Reihe sogenannter Bildungsmomente beschreiben, durch die Kinder Basiskompetenzen erwerben und festigen.
Elisabeth Börner, MA, bilinguale Fachberaterin bei KIWI
Was sind Bildungsmomente?
Unter Bildungsmomenten verstehen wir Situationen des (pädagogischen) Alltags, in denen Kinder Wissen über ihre Lebenswelt und grundlegende Kompetenzen erwerben oder vertiefen, ohne dass es sich explizit und beabsichtigter Weise um Lernsituationen handeln muss. Das Zubinden der Schuhe vor dem Ausflug könnte etwa ein solcher Moment sein: Es ist eine ganz alltägliche Handlung und zugleich ein wesentlicher Beitrag zur feinmotorischen Entwicklung.
Bildungsmomente können sämtlichen Lebensbereichen zugehören und etwa auch sozialer, kultureller, oder naturwissenschaftlicher Art sein. Sie können die Gruppe oder einzelne Kinder betreffen und ganz in den pädagogischen Alltag eingebettet sein. Der aufmerksame – und achtsame – Umgang mit Bildungsmomenten, die gerade durch ihre Beiläufigkeit und Zwanglosigkeit besonders nachhaltig wirken können, ist indes ein Qualitätsmerkmal hochwertiger Pädagogik.
Tischlein deck dich!
Von Zauberhand, wie im Märchen, deckt sich kein Mittagstisch bei KIWI. Die gemeinschaftliche Vorbereitung ist fester Bestandteil des Essensrituals in unseren Kindergärten und Horten. Die Kinder organisieren selbstständig Geschirr und Besteck und erleben sich dadurch als handlungsfähig und „zuständig“; Kinder, die für Freund*innen den Essplatz herrichten, übernehmen Verantwortung. Gerade für Kinder, die mit gemeinschaftlichem Essen wenig vertraut sind, sind dies wichtige Erfahrungen.
Abseits des sozialen Aspekts festigen sich an der Essensvorbereitung mathematische Grundfertigkeiten. Beim Zusammensammeln des Geschirrs ist etwa Klassifikation gefragt, also Erkennen gleichartiger Gegenstände – Gabel zu Gabel, Teller zu Teller; beim Auflegen wird dann u.a. die Simultanerfassung eingesetzt, also die Fähigkeit, eine gewisse Anzahl „auf einen Blick“ erkennen zu können: Sind bereits genug Löffel für alle am Tisch? All diese Kompetenzen gelten als Voraussetzung für den Umgang mit Mengen, eine wichtige Grundlage des Zählens bzw. der Mathematik.
Feinmotorische Übungen
Für die meisten Erwachsenen, die in westlichen Kulturen sozialisiert worden sind, ist das Essen mit Messer und Gabel selbstverständlich geworden. Wie viele physikalische Kräfte unter Kontrolle gebracht werden müssen, ehe sich das Essen „automatisch“ in den Mund bewegt, erleben westliche Erwachsene möglicherweise beim Umstieg auf Essstäbchen am eigenen Leib. Dies mag eine Vorstellung von der Intensität der motorischen Übungen geben, die Kinder beim Essen mit Besteck meistern, sei es beim Nehmen der Speisen aus der gemeinschaftlichen Schüssel oder beim Essen aus dem eigenen Teller.
Nicht weniger bedeutsam ist im Übrigen das Essen mit den Händen. Bei jungen Kindern wird dadurch die Beherrschung des Faust- bzw. des Pinzettengriffs gefördert. Für ältere Kinder kommt der Benefit intensivierter Sinnlichkeit hinzu: Der direkte Kontakt mit den Nahrungsmitteln ermöglicht eine kombinierte Sinneserfahrung, die eine ungleich tiefergehende „Beziehung“ zur aufgenommenen Nahrung ermöglicht. Für die Entwicklung von Ernährungsbewusstsein ist das eine wichtige Grundlage.
Über verschüttetes Wasser sollst du nicht weinen
Ein Glas fällt um, sein Inhalt ergießt sich über den Tisch. Erwachsene, die sich in einer solchen Situation zuallererst ans Aufwischen machen, putzen möglicherweise einen Bildungsmoment weg: Kinder bekommen hier Gelegenheit, Lösungen zu finden und Selbstwirksamkeit zu erleben. Nicht zu vernachlässigen ist gewiss der Beitrag zur grobmotorischen Entwicklung, den der Umgang mit Wischmop oder Wettex darstellt. Besonders bemerkenswert ist jedoch der Beitrag zur Lösungsorientiertheit einer Gruppe, den alltägliche Situationen wie die genannte mit sich bringen können.
Schließlich lässt sich an verschüttetem Wasser tatsächlich auch ein naturwissenschaftlicher Bildungsmoment ausmachen: Die Erkenntnis, welch große Fläche durch das Wasser aus einem kleinen Glas bedeckt werden kann, ermöglicht eine kindgerechte Annäherung an das mathematische Konzept von Volumen.
Soziales Lernen
Ein Kind gibt dem anderen etwas von seinem Teller, hilft ihm beim Herausheben des Essens aus der gemeinsamen Schüssel oder reicht ihm eine Serviette: Das Mittagessen im Kindergarten oder Hort bietet eine Vielzahl von Gelegenheiten, sozial-emotionale Kompetenzen wie Rücksichtnahme, Kooperation und Einfühlungsvermögen zu vertiefen. Kompetenzen, die Kinder erwiesenermaßen auf kaum eine andere Art so gut festigen wie in der Gemeinschaft mit anderen Kindern.
Besonders zuträglich ist solchem Lernen der Aspekt der Alterserweiterung bei KIWI, der sowohl für jüngere als auch für ältere Kinder Benefits hat: Kleine Kinder orientieren sich beim Erwerben und Üben von Kompetenzen an den großen, diese wiederum erleben sich als Vorbilder. Wenn sie zu „Tutor*innen“ jüngerer Kinder werden, ist das einerseits Anlass für Stolz, andererseits eine Möglichkeit, eigenes Wissen durch Weitergabe zu festigen.
Inklusive Tischgespräche
Von „Schmeckt dir das Essen?“ bis „Was wird bei dir zu Hause gegessen?“: Ein gemeinsames Mittagsmahl liefert Kindern eine Vielzahl von Anlässen, sich auszutauschen. Kleinere Kinder können dabei ihr Vokabular erweitern, ältere Kinder vertiefen Sachwissen, wenn sie etwa Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Esskulturen (oder auch Geschmäckern) aufspüren. Die Kompetenz, zuzuhören und andere Perspektiven einzunehmen, festigen Kinder selbstverständlich auch bei zahllosen anderen Gelegenheiten im pädagogischen Alltag. Eine Besonderheit von Gesprächen über das Essen ist jedoch ihre Inklusivität – jede und jeder hat mit dem Thema Erfahrung und kann eigene Gewohnheiten und Vorlieben einbringen.
Auch im Hort gibt es an den Nachmittagen zahlreiche Bildungsmomente zu entdecken, die nicht auf den ersten Blick als solche wahrgenommen werden – einige Beispiele.
Mag.a Lisa Kneidinger, externe Qualitätsmanagerin bei KIWI
Immer dann, wenn Kinder die Reihenfolge der Hausübungen, die sie zu erledigen haben, bestimmen, leisten sie eine komplexe Ordnungsaufgabe. Sie legen die Kriterien fest, nach denen sie vorgehen wollen: Ist es besser, mit der schwierigsten oder der umfangreichsten Hausübung zu beginnen? Dabei müssen sie auch die ungefähre Zeit einschätzen können, die das Erledigen brauchen wird und dann ihren Plan umsetzen, dabei aber auch spontan und flexibel auf Veränderungen eingehen.
„Das ist nicht fair!“
Bei jeder Konfliktbearbeitung, und sei es nur bei kleinen Streitigkeiten, findet sich ein großes, meist nicht erkanntes Bildungspotential. Die Kinder müssen bei einem Konflikt ihre jeweiligen Standpunkte plausibel und für andere nachvollziehbar darstellen. Dies stärkt nicht nur ihre Sprachkompetenz, sondern erfordert auch Emotionsregulation: Das Hortkind braucht einen großen Emotionswortschatz, um verbal darzustellen, wie es sich aktuell fühlt. Gleichzeitig muss es aber in der Situation selbst diese Emotionen bändigen, um handlungsfähig zu bleiben.
Dabei wird auch die moralische Entwicklung unterstützt: Was ist gerecht? Welche Lösung des Konflikts ist fair? Wie können wir eine Lösung finden, die für alle Beteiligten passt? Diesen Weg zu beschreiten, stellt hohe und komplexe soziale, emotionale und auch kognitive Ansprüche. Das Aushandeln von Konfliktsituationen stärkt Kinder darin, zu erkennen, dass Bedürfnisse wechselseitig sind. Diese Wechselseitigkeit führt dazu, dass Kinder ihr Verhalten an anderen orientieren und das Prinzip „Wie du mir, so ich dir“ zwar bevorzugen, aber im Laufe der Zeit überwinden.
Selbst organisierte Projekte
Besonders bildungsrelevant sind von Hortkindern selbst initiierte bzw. organisierte Vorhaben, wie etwa das Projekt einer Ameisenfarm im Hort Alma-Seidler-Weg. Die Hortkinder haben eine Ameisenkönigin auf ihrem Hochzeitsflug gefangen und sie in einem Glasgefäß beim Eierlegen gut versorgt.
Hier treffen Interesse, Neugier und Forscher*innengeist – zentrale Aspekte nachhaltiger Bildung – aufeinander: Im konkreten Fall stammten sowohl die Idee an sich als auch die einzelnen Meilensteine zur Umsetzung von den Kindern selbst – die Erwachsenen im Hort waren lediglich für den Kauf des Ameisenterrariums zuständig.
Mehr als bloß Beaufsichtigung in den Ferien bietet der Coole Sommer bei KIWI: Acht einzeln buchbare Themenwochen, die von erfahrenen KIWI-Hortpädagog*innen begleitet werden, bescheren Kindern abwechslungsreiche und unvergessliche Sommererlebnisse voller Spiel und Spaß. Zur Verfügung stehen je zwei Wochen zu den Themen Kreativität, Bewegung, Technik und Wien.
Detailinformationen finden Sie unter www.coolersommer.at!
Ein besonderes Angebot für KIWI-Eltern ist der Zugang zur Plattform Corplife Benefits. Die Webseite bietet tolle Vergünstigungen in Freizeitbereichen wie Sport, Reisen, Essen, Trinken und Shopping, die wöchentlich aktualisiert werden. Registrieren können Sie sich ganz einfach unter kiwi.corplife.at – Detailinformationen zur Anmeldung haben Sie mit ihrer Willkommensbox bekommen. Wir wünschen viel Vergnügen beim Stöbern!
Dieser Newsletter ist ein Service von KIWI - Kinder in Wien,
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