"Entscheidend für offenes Arbeiten ist nicht, dass Kinder alles tun können, was sie wollen, sondern, dass sie das wollen, was sie tun."
Jean Piaget
Jedes Kind hat sein eigenes Tempo, die Welt zu entdecken und sich zu bilden – nicht alle gleichaltrigen Kinder haben dieselben Interessen, dieselben Fähigkeiten und Kompetenzen. Das offene Arbeiten, neben der Alterserweiterung, dem bilingualen Konzept und dem Schutzkonzept eine tragende Säule der KIWI-Pädagogik, trägt diesem Umstand Rechnung. Es gestattet dem Kind, sich in Schwerpunkträumen mit verschiedensten Materialien zu beschäftigen, sich innerhalb einer vorbereiteten Umgebung zu vertiefen, zu entfalten und weiterzuentwickeln.
Die Stammgruppen der Kinder, die sogenannten homegroups, verbinden jeweils mehrere Schwerpunkte (darunter Musik, Sprache, Rollenspiel, Bewegung, Bauen und Konstruieren, Kreativität, Experimentieren und Forschen, Sinne) miteinander und bilden den Ausgangspunkt der täglichen Arbeit. Sie sollen für die Kinder ein „Nest“ sein, das ihnen die Sicherheit gibt, die Umgebungen in der gesamten Einrichtung zu erkunden. Kinder erweitern dadurch ihren Aktionsradius und üben sich in Autonomie. Die Pädagog*innen setzen schwerpunktbezogene Angebote in den dafür strukturierten Räumen, die Kinder wählen Raum und Angebot nach ihren Interessen. Gruppenkreise, gemeinschaftliche Angebote (z. B. Geburtstagsfeste) und das Mittagessen finden in der homegroup statt und tragen zum Gruppengefühl bei.
Bereits vor der Covid-19 Pandemie haben wir damit begonnen, das pädagogische Konzept bei KIWI einer Evaluierung zu unterziehen. Das offene Arbeiten wurde überarbeitet, an den aktuellen fachlichen Diskurs und gegenwärtige Rahmenbedingungen angepasst. Der Satz „Professionalität erweist sich darin, dass Entwicklung stattfindet“ von Gerlinde Lill (siehe Lesetipps) könnte so gesehen durchaus ein Leitsatz von KIWI sein, wo stets versucht wird, aus den vorhandenen Rahmenbedingungen das Beste zu machen.
Definiert wurde schließlich ein Drei-Phasen-Fahrplan für den Relaunch des offenen Arbeitens bei KIWI. Umgesetzt wird dieser an jedem Standort individuell, in einem Dialog zwischen Regionalmanagement, Fachberatung und Leitung. In der Pädagogik gibt es kaum „Rezepte“ oder Schablonen. Situationen wollen im Einzelnen und mit größtmöglicher Achtsamkeit eingeschätzt werden.
In Phase 1 wird gruppenbezogen gearbeitet. Die Kinder finden Halt in „ihrem“ Raum bzw. in ihrer homegroup. Materialien zu allen Bildungsbereichen für die unterschiedlichen Entwicklungsgruppen sind vorhanden. Früh- und Schlussdienst werden in Sammelgruppen abgehalten. In dieser Phase befinden wir uns zum Beispiel in der Zeit der Eingewöhnung im Herbst.
Das erste gruppenübergreifende Arbeiten sowie Projekte werden in Phase 2 für die Entwicklungsgruppe der Kinder im letzten Kindergarten- oder letzten Schuljahr angeboten. Auch in dieser Phase finden sich Materialien zu allen Bildungsbereichen für die unterschiedlichen Entwicklungsgruppen in jedem Gruppenraum. Tagesablauf und Strukturen werden angeglichen.
In Phase 3 ist das offene Arbeiten so weit implementiert, dass Kinder aller Entwicklungsgruppen frei die Räume innerhalb einer Bildungseinheit wählen können. Bildungseinheiten können ab einer Gruppengröße von vier Gruppen festgelegt werden. Zwei Einheiten zu zwei Gruppen in einem viergruppigen Haus oder zwei Einheiten zu zwei und drei Gruppen in einem fünfgruppigen Haus wären möglich. Ab einer Gruppengröße von sechs Gruppen ist das Arbeiten in Bildungseinheiten jedoch immer vorgeschrieben. Innerhalb dieser Einheiten wird in jedem Fall offen gearbeitet und es werden Schwerpunkträume gebildet, die sich gegenseitig ergänzen, sodass sich in jeder Einheit alle Bildungsbereiche wiederfinden. Die Kinder können während des Tages die Schwerpunkträume ihrer Bildungseinheit wechseln.
Bedingt durch die achtsame Herangehensweise kann das offene Arbeiten an den KIWI-Standorten ganz unterschiedliche Formen annehmen, verschiedenste Projekte und Angebote einschließen. Lebensumstände von Familien, Mitarbeiter*innen-Persönlichkeiten, die Architektur des Standortes, die Umgebung des Kindergartens wirken mit. Das Konzept des offenen Arbeitens ist ein Rahmen, der an den Standorten mit abwechslungsreichen und selten vergleichbaren Inhalten gefüllt wird. Wesentlich für das Gelingen ist auf jeden Fall die Lernbereitschaft aller Beteiligten, die von den KIWI-Teams nicht nur in Fortbildungen, sondern auch in Teamsitzungen und Supervisionen gelebt wird.
Unsere Mitarbeiter*innen freuen sich auf die Öffnung innerhalb und außerhalb unserer Standorte und auf einen in Achtsamkeit beschrittenen Weg der persönlichen und gemeinsamen Entwicklung.
Lill, Gerlinde: Was Sie schon immer über offene Arbeit wissen wollten … Fragen und Antworten. das netz, Weimar-Berlin 2012.